Turbo für Gleichungssysteme entwickelte sich zum Welterfolg

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SCAI-Forscher Dr. Klaus Stüben hat in Anerkennung seiner Verdienste um die Fraunhofer-Gesellschaft den Fraunhofer-Taler erhalten.

SCAI-Forscher Dr. Klaus Stüben hat in Anerkennung seiner Verdienste um die Fraunhofer-Gesellschaft den Fraunhofer-Taler erhalten
© Fraunhofer SCAI
Fraunhofer-Vorstand Prof. Dr. Georg Rosenfeld (l.) überreichte den Fraunhofer-Taler an Dr. Klaus Stüben.

SANKT AUGUSTIN.     Der Mathematiker Dr. Klaus Stüben ist für seine wissenschaftlichen Verdienste um die Entwicklung der algebraischen Mehrgittermethodik (AMG) mit dem Fraunhofer-Taler geehrt worden. Prof. Dr. Georg Rosenfeld, Fraunhofer-Vorstand für Technologiemarketing und Geschäftsmodelle, überreichte die Auszeichnung im Rahmen der 12. Sitzung des Kuratoriums des Fraunhofer-Instituts für Algorithmen und Wissenschaftliches Rechnen SCAI am 19. Mai 2016.

Klaus Stüben, Abteilungsleiter bei Fraunhofer SCAI und seit vier Jahrzehnten im Institut aktiv, erkannte Anfang der 1980er Jahre als einer der ersten, gemeinsam mit Wissenschaftlern des Weizmann-Instituts in Israel und der University of Colorado das Potenzial und die Bedeutung von AMG für die Lösung großer Gleichungssysteme. Bis diese allgemeine Methodik jedoch für Anwendungen in der Industrie zum Einsatz kommen konnte, war es ein sehr langer Weg. Stüben gelang es, zwischen der akademischen und industriellen Welt eine Brücke zu bauen und die Methodik so für eine große Breite von Problemen nutzbar zu machen. Dieser Erfolg wurde durch eine langjährige, bedarfsorientierte Forschung und Entwicklung in direkter Kooperation mit Industriepartnern der verschiedenen Anwendungsrichtungen ermöglicht, bis heute über einen Zeitraum von zwanzig Jahren.

Das unter seiner Leitung entwickelte Software-Produkt SAMG (System Algebraic Multigrid) wird heute weltweit vermarktet und berücksichtigt alle relevanten wissenschaftlichen Entwicklungen. SAMG zielt auf die Nutzung in industriellen Simulationsprogrammen ab. Viele Simulationen werden durch SAMG überhaupt erst praxistauglich, weil die Rechenzeiten sich drastisch verkürzen, in Extremfällen etwa von Tagen auf Minuten. Einige repräsentative Anwendungsbereiche für SAMG sind Strömungs- und Strukturmechanik, Gießereitechnik sowie Ölreservoir- und Grundwassersimulation.

Tatsächlich wurde AMG in den frühen 80er Jahren eher als eine exotische und rein akademische Spielerei angesehen. In der Tat konnte die überaus komplizierte Methodik bei den damaligen Problemgrößen ihr Potenzial noch nicht unter Beweis stellen. Zu jener Zeit waren einfache klassische Verfahren zur Lösung linearer Gleichungssysteme von maximal hunderttausend Unbekannten hinreichend schnell.

Seit Beginn der 90er Jahre wuchs aber die Komplexität physikalischer Modelle und die Zahl der Unbekannten in Gleichungssystemen derart rasant an – in manchen Anwendungsbereichen heute bis auf mehrere Milliarden – dass der Rechenaufwand zur Lösung der bei der Behandlung partieller Differentialgleichungen auftretenden Gleichungssysteme mehr und mehr zu einem Flaschenhals für industrielle Simulationssoftware wurde. Der Bedarf nach schnellen Lösern führte zu einer Renaissance von AMG. Ab etwa 1995 sind AMG-basierte Lösungsansätze zu einem zentralen Thema der numerischen Forschung geworden, angetrieben durch verschiedene industrierelevante Anwendungen.

Als SCAI 2001 ein Fraunhofer-Institut wurde, begann die systematische Weiterentwicklung und Vermarktung des Software-Pakets SAMG. Ein Ende dieser Erfolgsgeschichte ist nicht in Sicht. Computersimulationen kommen in immer mehr Anwendungsbereichen zum Einsatz, und die Genauigkeitsanforderungen an die Simulationen steigen ständig weiter. So werden auch die zu lösenden Gleichungssysteme immer größer, und damit wächst auch die Bedeutung schneller Lösungsverfahren stetig weiter.