Crash-Simulationen in der Automobilindustrie

Analyse des Crash-Verhaltens

Die virtuelle Produktentwicklung in der Automobilindustrie nutzt numerische Simulation zur Analyse des Crash-Verhaltens von unterschiedlichen Designkonfigurationen. Variiert werden dabei unter anderem Materialeigenschaften oder Formen von Bauteilen. Es existieren effiziente Softwarelösungen zur Bewertung von mehreren Simulationsergebnissen, sofern dabei nur einfache Kenngrößen wie Kurven, Intrusion der Stirnwand an ausgewählten Punkten, Beschleunigung usw. untersucht werden. Zur detaillierten Auswertung einer einzelnen Crash-Simulation wird spezialisierte 3D-Visualisierungssoftware verwendet.

Nichtlineare Dimensionsreduktion

Crash-Versuch - Industrielle Produktentwicklung
© Fraunhofer SCAI

Für die Analyse dieser komplexen Datenmenge verwenden wir Verfahren des Maschinellen Lernens (ML) zur sogenannten nichtlinearen Dimensionsreduktion. Damit wird aus den vorhandenen Daten eine niederdimensionale Repräsentation berechnet. Durch eine visuelle Anordnung der Daten bezüglich dieser wenigen, durch ML-Verfahren berechneten Kennzahlen ist nun ein einfacher und interaktiver Überblick über die Daten möglich, in diesem Fall über die Simulationsergebnisse. Insbesondere haben wir eine Methode entwickelt, welche wenige elementare und unabhängige Komponenten aus den Daten berechnet und damit die Repräsentation einer numerischen Simulation als deren Kombination ermöglicht. Diese datenbasierte Darstellung kann als eine Art Elementarzerlegung von Bauteilgeometrien aufgefasst werden und erlaubt eine sehr kompakte und effiziente Darstellung. Bei der Betrachtung von Crash-Simulationen ergeben sich als Elementarzerlegungen beispielsweise die Rotation eines Bauteils oder dessen globale oder lokale Verformung in einem Bereich des Bauteils, was insbesondere auch eine physikalische Interpretation der Analyseergebnisse erlaubt. Somit kann eine Untersuchung effizient durchgeführt werden, denn alle Simulationen können mithilfe dieser elementaren Komponenten dargestellt und verglichen werden.

Intuitive, interaktive Visualisierung

Durch diese Reduktion der Datendimension ist eine intuitive, interaktive Visualisierung sehr vieler Simulationen realisierbar. Eine interpretierbare Anordnung in drei Koordinaten bezüglich ausgewählter Elementarzerlegungen zeigt die Unterschiede zwischen den Simulationen, beispielsweise die verschiedenen Geometrieverformungen beim Crash. Als Beispiel betrachten wir ein digitales Finite-Elemente-Modell eines Pick-Up-Trucks, welches wir im BMBF-Big-Data-Projekt VAVID untersucht haben. Simuliert wird ein Frontal-Crash, wobei die Blechdicken von Bauteilen variiert werden. Analysiert werden die Verformungen der Längsträger. Die neue Repräsentation bezüglich der berechneten Elementarzerlegungen ermöglicht es, die verschiedenen Verformungen als Summe elementarer Komponenten kompakt und interpretierbar darzustellen.

Analyse der Simulationsergebnisse

Wir betrachten pro Simulation ca. hundert zeitliche Zwischenschritte, die nun gleichzeitig in einer Grafik visualisiert werden, was mit bisherigen Analysemethoden nicht möglich war. Unsere ML-Methode erlaubt es, mittels dieser Komponenten die zeitliche Entwicklung des Crash-Verhaltens eingängig darzustellen.  

Maschinelles Lernen
© Fraunhofer SCAI

Jeder Punkt repräsentiert dabei eine Simulation zu einem spezifischen Zeitschritt. Es ist deutlich zu sehen, wie alle Simulationen mit der gleichen Geometrie starten und sich im zeitlichen Verlauf zwei Ausprägungen des Crash-Verhaltens ergeben, veranschaulicht durch jeweils typische Verformungen des betrachteten Längsträgers. Zudem kann der Zeitpunkt dieser Zweiteilung näherungsweise identifiziert werden. Auf Basis einer solchen Analyse der Simulationsergebnisse kann der Entwicklungsingenieur besser entscheiden, wie Designparameter zu wählen sind.

Darüber hinaus wurden in den letzten Jahren neue digitale Messverfahren entwickelt und bereitgestellt, welche es ermöglichen, hoch aufgelöste zeitabhängige 3D-Daten aus einem realen Crash-Versuch zu gewinnen. Die von uns neu entwickelten Verfahren erlauben nun erstmals den Abgleich zwischen Simulationen und solch genauen Messdaten aus einem realen Experiment. So kann zu einem realen Crash-Versuch die am besten passende numerische Simulation identifiziert werden, was in dieser Qualität bisher nicht durchführbar war. So ist es nun wiederum möglich, einen Überblick über alle Simulationen zu gewinnen und man kann feststellen, ob, in Analogie zu, ein reales Experiment den linken oder rechten Verformungspfad im Simulationsraum abläuft.